Dr. Marcus Walden ist seit knapp einem halben Jahr im Amt als Präsident der IHK Rheinhessen. Die aktuelle Stimmungslage bei den Unternehmen beschreibt er mit einem Wort: „Moll“. Und das gelte nicht nur für die Beschäftigten, sondern vor allem für die Führungsetagen quer durch alle Branchen. Fatal sei das, denn schnell könne daraus eine Negativspirale entstehen. Es brauche daher Perspektiven seitens der Politik und positive Signale, wie man den wirtschaftlichen Aufbruch schaffen wolle. Ein Thema, das auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion, Julia Klöckner MdB, umtreibt. Um Beispiele aus der Praxis mit in die Beratungen nach Berlin zu nehmen, sucht sie den engen Austausch mit Unternehmen der Region. Und mit deren Kammern, denn diese haben einen umfassenden Einblick, wie die Lage in der Region ist. Die IHKs vertreten alle Gewerbetreibenden gleichberechtigt, nicht nur das Einzelinteresse einiger Großunternehmen oder Branchen. Dadurch sind sie gerade für den Mittelstand ein wichtiges Sprachrohr. Die Kammern Rheinhessen und Koblenz vertreten rund 143 000 Mitgliedsunternehmen. Auch die neuen Geschäftsführerinnen der IHK waren beim Gespräch in der Bad Kreuznacher Geschäftsstelle der IHK dabei, Karina Szwede und Lisa Haus. Genauso wie Matthias Ess, Vizepräsident der IHK Koblenz. Die aktuelle Situation sei mehr als herausfordernd. Was sie von ihren Mitgliedsbetrieben immer wieder hören, ist die fehlende Verlässlichkeit, die sie seitens der Politik erleben. Um dauerhaft Investitionen in Deutschland und der Region zu halten, brauche es Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, die nicht nur heute, sondern auch in einigen Jahren noch gelten. Hinzukomme eine zu hohe Bürokratielast, unter der die Unternehmen leiden. So sei es nicht nachvollziehbar, dass bei einem Bauvorhaben rund 13 % Bürokratiekosten anfallen, die Personalkosten jedoch nur bei zwei Prozent liegen. Auch die Einholung von mehr als 20 Gutachten für selbst kleinere Projekte, die sich mitunter eklatant widersprechen, sei keine Seltenheit und bremse den Prozess. Rechtssicherheit sei gut und wichtig, aber sie dürfe nicht mit einer Überregulierung einhergehen. Julia Klöckner MdB stimmt dem zu. Ihre Fraktion setzt sich dafür ein, die jeweiligen bürokratischen Auflagen branchenspezifisch anzugehen und alle Ebenen mitzunehmen. Denn es nütze nichts, wenn in Brüssel eine Vorgabe wegfalle, diese aber vom Land oder der Kommune dennoch erhoben werde.
Ein weiterer Punkt, der vielen Unternehmen zu schaffen mache, sei der Umgang mit der Verwaltung. Vielfach werde sie eher als Verhinderer, denn als Förderer empfunden. Genehmigungsverfahren dauerten zu lange. Julia Klöckner MdB plädiert daher für eine andere Herangehensweise und bringt eine Art Genehmigungsfiktion ins Spiel. Wenn es seitens der Verwaltung binnen eines festgelegten Zeitraums von etwa drei Monaten keine Rückmeldung gibt, gilt ein Vorhaben als genehmigt. Stichwort Digitalisierung: Hier plädieren alle dafür, Prozesse neu zu denken. Es reiche nicht, einfach von analog auf digital umzustellen. Bestimmte Vorgänge, die analog noch Sinn ergaben, erübrigen sich digital eventuell, da sie schlichtweg nicht erforderlich sind. „Verwaltung muss den Bürger als Kunde sehen“, fasst es Karina Szwede zusammen. Überbordende Bürokratie ist ein Faktor, warum der deutsche Wirtschaftsstandort an Attraktivität verliert: Die Innovationsbereitschaft ist auf einem Rekordtief. Meldungen zu Produktionsverlagerungen und Stellenabbau aufgrund nicht mehr wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen sind mittlerweile Alltag, wissen auch die IHK-Vertreter zu berichten. Julia Klöckner: „Die Kapitalabflüsse aus Deutschland sind für das Jahr 2023 mit 94 Milliarden Euro weiterhin auf einem Rekordhoch. Viele Unternehmen wollen nicht mehr in Deutschland investieren. Sie fahren die Produktion nach unten, verlagern die Produktion und bauen auch Arbeitsplätze ab , wie zum Beispiel die BASF und viele kleinere mittelständische Betriebe. Die Arbeitskosten in den Unternehmen steigen immer weiter, die Bürokratielasten nehmen mit fast jedem Gesetz der Ampel zu, die Energiekosten bleiben trotz vieler gegenteiliger Versprechen zu hoch und das Thema Steuern wird nicht angegangen.“ Sie ist sich sicher, dass die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen lediglich eine Interventionsspirale vorantreiben: Kleinteilige Eingriffe an der einen Stelle ziehen Interventionen an anderer Stelle nach sich. Leidtragende seien die Unternehmen in allen Branchen, die sich in bereits herausfordernden Zeiten auch noch mit politischen und regulatorischen Unsicherheiten konfrontiert sehen. Julia Klöckner: „Wir müssen jetzt die richtigen Rahmenbedingungen setzen, damit Deutschland ein führendes Industrieland bleibt. Kurzfristige konjunkturelle Strohfeuer werden der Wettbewerbsfähigkeit nicht helfen. Wir brauchen Strukturreformen, um das Fundament unseres Wohlstands zu erneuern. Die Industrie muss wissen, dass sie hier erwünscht ist, und nicht nur Transformationsindustrien. Mit klaren Perspektiven und Spielregeln. Unsere Vorschläge für ein Wirtschaftswende-Sofortprogramm liegen auf dem Tisch: Strukturelle Veränderungen beim Bürokratieabbau, den Steuern und Anreizen für Mehrarbeit. Deutschland und die EU brauchen ein sofortiges Belastungsmoratorium: ab sofort keine neuen Auflagen, Regulierungen und Berichtspflichten mehr und Maßnahmen zur spürbaren und raschen Bürokratieentlastung. Auch die Planungsbeschleunigung muss endlich greifen.“ Europäisch setzt sich ihre CDU/CSU-Fraktion nach dem „Green Deal“ für einen „Industrial Deal“ ein. Ansätze, die auch von den Kammern geteilt werden und sich mit dem decken, was sie in ihrer täglichen Arbeit gespiegelt bekommen, berichtet Dr. Marcus Walden. Julia Klöckner MdB fordert Bundeswirtschaftsminister Habeck daher auf, eben diese Unternehmen im Blick zu haben, die es zahlreich im ländlichen Raum, in ihrem Wahlkreis gibt. „Meine vielen Gespräche im Wahlkreis mit IHK, den Handwerkskammern und mittelständischen Betrieben haben den Hilferuf verdeutlicht. Die Unternehmen haben keine Zeit mehr. Sie brauchen endlich verlässliche Zusagen, mit was sie rechnen können. Wenn die nicht kommt, wird vielfach das Licht ausgehen“, weist Julia Klöckner auf die Dringlichkeit der Lage hin. Von vagen Versprechen könnten schließlich keine Rechnungen bezahlt werden.
BU (v.l.n.r.): Dr. Marcus Walden, Julia Klöckner MdB, Karina Szwede, Lisa Haus, Matthias Ess