Gespräch bei Michelin in Bad Kreuznach

Dez 18, 2024 | Pressemeldungen

Wenn man Guilhem Vogel zuhört, merkt man, wie stolz er auf „seinen“ Standort ist. Seit Juni ist der Franzose Leiter des Bad Kreuznacher Michelin-Werks. Er hat sich schnell eingelebt im neuen Amt. Auch, weil ihm ein enger Austausch mit den Beschäftigten wichtig ist. Denn sie sind es, die den Bad Kreuznacher Standort zu einem Vorreiter in der Branche gemacht haben. Guilhem Vogel hat viel vor und will den Standort in Sachen Energiesicherheit, Nachhaltigkeit, Mitarbeiterbindung weiter nach vorne bringen. Wie sieht die Lage aktuell aus, und welche Perspektiven gibt es für die Produktion an der Nahe? Darüber haben sich die wirtschaftspolitischen Sprecher ihrer Fraktionen, Julia Klöckner MdB, und Dr. Helmut Martin MdL, aus erster Hand informiert und Werkdirektor Guilhem Vogel getroffen. Mit rund 1 400 Mitarbeitenden zählt das Michelin-Werk zu den größten Arbeitgebern in der Region. Auch die Produktionskapazität mit etwa 8,2 Millionen Reifen im Jahr ist beeindruckend.

Als energieintensives Unternehmen sind für Michelin die in den vergangenen Jahren gestiegenen Energiepreise ein wichtiges Thema. So sollen die Produktionsprozesse auf lange Sicht elektrifiziert werden, weil die Emissionen bei grünem Strom um einiges geringer seien. Klar sei aber auch, dass nicht alle Prozesse zu hundert Prozent elektrifiziert werden können. Der Rest der Energieversorgung könne zum Beispiel über Biogas oder Wasserstoff kommen. Das Unternehmen setzt daher auf einen Energiemix. Schon lange setzt man auf Sonne als Energiequelle. Knapp 180 000 Quadratmeter auf Werkdächern und Solar-Carports werden für Solarenergie genutzt. „Mit unserer Photovoltaik möchten wir einen aktiven Beitrag zum Ausbau von regenerativen Energien in unserer Region leisten“, unterstreicht Guilhem Vogel. Heute schon bezieht Michelin für seine Reifenproduktion zu 100 Prozent grünen Strom.

Welche Standortbedingungen wichtig seien für solch ein internationales Unternehmen, fragte Julia Klöckner MdB, die als wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion auch Gespräche mit dem Bundesverband der Kautschukindustrie führt. Kautschuk ist einer der wichtigsten Rohstoffe in der Reifenproduktion. Hier ist für Werkleiter Guilhem Vogel klar: Die Rahmenbedingungen müssen klar auf Wettbewerbsfähigkeit gesetzt werden. Zumal mit Blick auf die Wettbewerber aus China, die deutlich günstigere Produktionsbedingungen haben. Julia Klöckner machen die staatlichen Subventionen Chinas Sorge, die nicht konform mit den Regeln des Welthandels sind und bewusst die Industrien anderer Länder durch Dumpingpreise angreifen sollen. Hier müsse Europa einen gewissen Schutz einziehen, wenn „nicht fair gespielt“ werde. Auch die Beziehungen zu den USA, deren wirtschaftspolitische Ausrichtung nach einer Amtsübernahme Donald Trumps für Europa unklar ist, werden wohl noch herausfordernder. Eine bessere Planbarkeit ist für Unternehmen wie Michelin wichtig. Energiekosten, Arbeits- und hohe Lohnnebenkosten, Überregulierung bei den Lieferkettendokumentationen, Mitarbeitergewinnung, Rohstoffsicherung – alles Themen, die gerade nicht einfach für die Wirtschaft in Deutschland sind. International wettbewerbsfähige Bedingungen am Standort sind deshalb essenziell. Beispiele, die Julia Klöckner MdB und Dr. Helmut Martin MdL bei ihren Unternehmensbesuchen in der Region immer wieder hören. Sie sind daher sicher: „Wenn wir wollen, dass Deutschland ein führendes Industrieland mit sicheren Arbeitsplätzen bleibt, dann müssen jetzt strukturelle Reformen angegangen werden. Die Unionsbundestagsfraktion hat in der zu Ende gehenden Legislaturperiode zahlreiche Initiativen eingebracht für ein Sofortprogramm Wirtschaft. Von Planungsbeschleunigungen über Steuersenkung bis zur Arbeitszeitflexibilisierung. Alle wurden von der Ampel-Bundesregierung abgelehnt.“ Für Julia Klöckner MdB ist indes klar: „Kurzfristige konjunkturelle Strohfeuer werden der Wettbewerbsfähigkeit nicht helfen. Wir brauchen Strukturreformen, um das Fundament unseres Wohlstands zu erneuern. Deutschland braucht eine Wachstumsagenda für Wirtschaft, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen zurück zu einer marktwirtschaftlich orientierten Angebotspolitik, das hilft unserem Sozialstaat. Die Industrie, auch in der Nahe-Region, muss wissen, dass sie hier erwünscht ist und gebraucht wird.“

Vor dem Rundgang durch die Werkshallen mit Produktionsleiter Peter Fluhr spricht Guilhem Vogel die unterschiedlichen Standortbedingungen innerhalb Europas an. So seien die Strompreise und auch Lohnkosten in Deutschland beispielsweise höher als in Spanien. Hiermit müsse man vor Ort umgehen. Michelin legt in seiner Ausrichtung seinen Fokus für das Werk in Bad Kreuznach klar auf den europäischen Markt. China könne zu deutlich günstigeren Preisen produzieren. Allerdings sehe die Rechnung anders aus, wenn man die Lebensdauer von beispielsweise LKW-Reifen betrachtet. Der Anschaffungswert sei für in Europa produzierte Produkte höher, aber das gelte auch für die Lebensdauer der Reifen, die nicht mit den asiatischen vergleichbar sei. Der höhere Preis rechne sich. Zumal die Zahlen hoch sind: etwa 128 Millionen Pkw-Reifen pro Jahr werden in Europa zu früh ausgewechselt.

Etwa eine Milliarde Reifen werden in der ganzen Welt ausgemustert – etwa 350 Millionen davon in der EU. Und von Jahr zu Jahr werden es mehr. Altreifen lassen sich jedoch möglicherweise vollständig recyceln. Auch hier ist Unternehmensgruppe aktiv. Sie stellt sich vielseitig auf, setzt auf nachwachsende Rohstoffe und recycelbare Materialien. Schon heute bestehen Michelin-Pkw-Reifen zu bis zu 45 % aus nachhaltigen Rohstoffen. Der Bad Kreuznacher Standort sei in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter: Stichwort energieeffiziente Elektro-Vulkanisationspressen. Die ersten Prototypen standen 2011 an der Nahe. 56 Doppel-Pressen sparen heute 90 Prozent Energie gegenüber herkömmlichen Dampf-Pressen ein. Mit diesem und weiteren Projekten ist Bad Kreuznach auf dem besten Weg zur bis 2050 angestrebten Klimaneutralität: Seit 2010 hat das Werk seinen CO2-Ausstoß bereits über 71 Prozent gesenkt.

In Sachen Gewinnung und Akquise neuer Mitarbeiter berichtet Guilhem Vogel, dass die Bedingungen schwieriger geworden seien. Zwar finde man immer noch gutes Personal, der Prozess sei aber langwieriger geworden. Und natürlich sei auch das Thema Schichtarbeit und die damit einhergehenden Bedingungen für viele ein Hemmnis. Julia Klöckner MdB und Dr. Helmut Martin MdL zeigten sich beeindruckt, wie groß im Unternehmen die Themen Aus- und Weiterbildung geschrieben werden. „Ein wichtiger Faktor, warum der Bad Kreuznacher Standort für Mitarbeitende so attraktiv ist. Auch, wenn in Bad Kreuznach nur Autoreifen vom Band gehen, spielt die Kautschukindustrie eine unverzichtbare Rolle in unserem täglichen Leben. Sie verbindet uns nicht nur durch die Reifen unserer Fahrzeuge, sondern auch durch zahlreiche andere Produkte, von medizinischen Geräten bis hin zu modischen Accessoires.“

Skip to content