Die Umsetzung des Kita-Gesetzes stellt die Einrichtungen in der Nahe-Region vor große Herausforderungen. Auch die städtische Kindertagesstätte „Kendelstraße“ im Ortsteil Winzenheim hat damit zu kämpfen und steht vor Veränderungen: Weil die Zahl der Kinder und auch die Nachfrage für Ganztagsplätze steigt und weil das umstrittene Kita-Gesetz der Landesregierung entsprechende Auflagen macht. Auch die Integration von Kindern mit einem hohen Förderungsbedarf nimmt für die Mitarbeiterinnen um Leitung Eugen Kaiser immer mehr Zeit in Anspruch. Die heimische Bundestagsabgeordnete wollte mehr über die aktuelle Situation und die Bedürfnisse sowohl der Kinder als auch der Erzieherinnen erfahren. Sie besuchte daher die städtische Einrichtung in der Winzenheimer Kendelstraße, um sich mit Eugen Kaiser auszutauschen. Auch Marvin Jung, Leiter des städtischen Jugendamtes, und der für Kitas zuständige Abteilungsleiter Nils Wachner kamen zum Gespräch.
Farbenfroh, heimelig und kreative Basteleien, wohin das Auge reicht – so erlebt man die Kita mit ihren hellen Räumen und dem schönen und weitläufigen Außengelände mit Schaukeln, Rutschen und Klettermöglichkeiten. Gerade erst hat sie ihren 50. Geburtstag gefeiert. Julia Klöckner MdB hatte daher ein verspätetes Geschenk dabei: einen großen Korb mit Obst und kleinen Süßigkeiten für Personal und Kinder. Die Kita bietet Platz für 85 Kinder. 20 von ihnen besuchen die Hortgruppe. Auch eine Nestgruppe für die ganz Kleinen gibt es. Sie werden von einem Team von rund 13 Erzieherinnen, sowie Auszubildenden und Hauswirtschaftskräften betreut. „Wer, wie Eugen Kaiser, eine so lange Praxiserfahrung hat, kann Veränderungen, Herausforderungen – und die Folgen des neuen Kita-Gesetzes gut beurteilen. Und die sind immens, denn die vielen Auflagen und Standards, die den Kitas vom Gesetzgeber auferlegt werden, sind im Alltag nicht zu erfüllen. Hinzukommt der individuelle Betreuungsbedarf der Kinder. Dieser steigt seit Jahren stetig und damit auch die Anspruchshaltung vieler Eltern, was die Kitas alles leisten sollen“, so Julia Klöckner nach dem Gespräch. „Die Tatsache, dass alle Kinder Anspruch auf eine siebenstündige Betreuung und Mittagessen haben, kommt den Eltern definitiv entgegen. Allerdings nicht jedem Kind“, ist Eugen Kaiser überzeugt. So seien manche Kinder pro Tag länger in der Einrichtung als eine Vollzeitkraft. Sorge macht dem Personal auch, dass es keine Stelle für Sprachförderung mehr gibt. Das Bundesprogramm wurde ersatzlos gestrichen. Wenn Kinder sprachlich also noch nicht vorbereitet sind für den Grundschuleintritt, bleibt den Erzieherinnen und Erziehern nicht mehr Handhabe, als die Eltern darauf hinzuweisen. Was diese dann mit der Info machen, ist unklar. Wertvolle Zeit, in der dem jeweiligen Kind womöglich nicht die beste Betreuung in den Kitas geboten werden kann, geht so verloren, denn es bräuchte eine zusätzliche sprachpädagogische Kraft, um den individuellen Bedürfnissen nachkommen zu können. Stichwort Personalgewinnung: Auch hier hätten sich Erwartungshaltungen und Ansprüche über die Jahre verändert. So sei der Wunsch nach Teilzeit bei jungen Bewerberinnen und Bewerbern gestiegen. Es sei nicht die Bezahlung, die viele davon abhält, den Erzieherberuf zu ergreifen. Vielmehr seien es die Bedingungen des täglichen Arbeitens mit teils beengten Räumlichkeiten und zu großen Kita-Gruppen, weiß Eugen Kaiser aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen. Ein Stimmungsbild, das sich auch mit den Erfahrungen von Julia Klöckner MdB bei ihren vielen Besuchen in den Kitas ihres Wahlkreises deckt. Im Alltag problematisch ist auch der hohe Krankenstand von Mitarbeitenden, der seine Ursache gewiss auch in der mitunter hohen Arbeitsbelastung hat.
„Denn es gibt weit mehr Anfragen als freie Plätze. 200 Kita-Plätze fehlen in Bad Kreuznach. Auch was die Betreuung im Hort angeht, kann die Kita Kendelstraße dem hohen Bedarf nicht mehr nachkommen. Klar ist, die Kita stößt räumlich an ihre Grenzen. Das haben wir beim Rundgang erlebt. So seien etwa der liebevoll gestaltete Essensraum und auch manche Spielzimmer zu klein“, berichtet Julia Klöckner. Für die Kita Kendelstraße bedeutet das Kita-Gesetz konkret, dass 65 Kinder im Alter von 0 – 6 Jahren in den unveränderten Räumlichkeiten länger bleiben und nicht mehr 36, wie es vorher war. Es gäbe verschiedene Optionen, wie man hier in die Zukunft gehen kann, und die nun in den entsprechenden Gremien der Stadt diskutiert werden.
Nach dem Besuch ist für Julia Klöckner klar: Das Thema Kitas muss noch mehr in den Fokus der Politik rücken – gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der Umsetzung des Kita-Gesetzes und den Rechtsanspruch der Eltern auf Betreuung ihrer Kinder. „Denn, wenn sich zeigt, dass die Umsetzung eines Gesetzes im Alltag mehr Nach- als Vorteile bringe, müsse man es korrigieren“, so Julia Klöckner. Eugen Kaisers Appell an die Politik: Mehr Mitspracherecht für die Kita-Fachkräfte, wenn es um neue Gesetze und Reformen geht. Sie müssen als Experten miteinbezogen werden, denn sie sind es, die die Regelungen umsetzen müssen. Der engagierte Kitaleiter bringt es auf den Punkt: „Oft heißt es, Kinder sind unsere Zukunft. Das ist meiner Meinung nicht ganz richtig, denn sie sind mehr als das: Sie sind auch die Gegenwart.“